Podcast: Über Autismus, Transzendenz und... Neurodermitis? Mit Ludger Tebartz van Elst

Autismus, Psychiatrie und die Rolle der Philosophie: Ein Gespräch über Strukturen und Besonderheiten

Wie wir Autismus, ADHS und ähnliche Phänomene wahrnehmen und ob die gängigen Begriffe wie „Störung“ oder „Krankheit“ überhaupt immer angemessen sind.

Tebartz-van Elst spricht darüber, wie er zu Beginn seiner Arbeit eine klare Abgrenzung zwischen „normalpsychologischen“ Phänomenen und tatsächlichen Störungen erwartete – und wie sich diese Erwartung mit der Zeit wandelte. Autismus ist für ihn heute oft eher eine „Normvariante“ als eine Krankheit im klassischen Sinne. Trotzdem, so betont er, gibt es Menschen, bei denen der Begriff „Krankheit“ durchaus passend ist, da ihre Herausforderungen sie erheblich einschränken.

Philosophie und Psychiatrie: Ein Zusammenspiel

Ein interessanter Aspekt des Gesprächs ist die Verbindung zwischen Psychiatrie und Philosophie. Der Gast, der selbst eine philosophische Ader hat, sieht die Psychiatrie als „Königin der Medizin“, da sie sich mit den höchsten Funktionen des menschlichen Geistes – Denken, Wahrnehmen und Urteilen – beschäftigt. Für ihn ist Philosophie ein notwendiger Begleiter der Psychiatrie, da sie Fragen zum Menschsein und zur menschlichen Natur behandelt, die für das Verstehen psychischer Zustände essenziell sind.

Strukturdiagnose als Alternative zu „Krankheit“ und „Störung“

Anstatt Autismus und andere Phänomene kategorisch als Störung oder Krankheit zu betrachten, führt der Gast den Begriff der „Strukturdiagnose“ ein. Dieser Ansatz erlaubt eine Beschreibung der Besonderheiten ohne die Notwendigkeit, einen pathologischen Wert beizumessen. Er beschreibt, wie autistische Menschen oft schon früh im Leben bestimmte Denk- und Verhaltensmuster entwickeln, die sie ihr Leben lang begleiten. Diese sind jedoch nicht zwangsläufig mit negativen Konsequenzen verbunden – oft erleben Menschen mit solchen Strukturen ein erfolgreiches, erfülltes Leben.

Beziehung von Autismus zur Gesellschaft

Ein weiteres zentrales Thema des Gesprächs ist die soziale Interaktion und wie Missverständnisse zwischen Menschen mit unterschiedlichen Strukturen entstehen. Ein Beispiel ist der häufige Konflikt zwischen autistischen Menschen und ihren neurotypischen Kollegen, besonders in hierarchischen Situationen. Diese Missverständnisse beruhen oft darauf, dass neurotypische Menschen die direkte Art der Kommunikation von Autisten als unhöflich oder gar respektlos interpretieren, was Konflikte verstärkt.

Individuum und Gemeinschaft: Ein Balanceakt

Am Ende des Gesprächs geht es um die Balance zwischen Individualität und Gemeinschaft. Die Autismusforschung, so der Gast, hat ihm viele allgemeine Einblicke in das menschliche Verhalten gegeben, die auf alle Menschen anwendbar sind. Er erkennt, dass Verhaltensweisen, die oft als „autistisch“ gelten, bei allen Menschen unter bestimmten Bedingungen auftreten können. Dies unterstreicht seine Sichtweise, dass Autismus weniger eine Abweichung und mehr ein Teil des Spektrums menschlichen Verhaltens ist.

Ein Erlebnis der Woche: Positive Veränderungen durch Medikamentenanpassung

Abschließend berichtet der Gast von einem Erlebnis, das ihn besonders beeindruckt hat. Eine Patientin mit einer besonderen psychiatrischen Symptomatik zeigte nach einer Anpassung der Medikation deutliche Fortschritte, was erneut die Bedeutung individueller, auf die Patienten abgestimmter Behandlung unterstreicht. Auch der Co-Moderator teilt ein persönliches Erlebnis, das seine Faszination für die Vielfalt menschlicher Lebenswege zeigt.

Der Podcast „Rattenflüsterer“ schafft einen einfühlsamen und differenzierten Blick auf Themen wie Autismus und Psychiatrie, der Zuhörerinnen und Zuhörer sowohl mit tiefen Einsichten als auch mit philosophischen Gedanken inspiriert.


Über Autismus, Transzendenz und Neurodermitis mit Ludger Tebartz-van Elst

In der neuesten Folge des Podcasts Rattenflüsterer taucht ein Gast mit umfassendem Wissen und viel Erfahrung in der Psychiatrie und Psychotherapie auf: Ludger Tebartz-van Elst, Facharzt und Professor für Psychiatrie, der seit 2004 in der Autismusforschung tätig ist. In einem offenen Gespräch gibt er Einblicke in seine Erkenntnisse und seine Sicht auf neurodiverse Themen.

Autismus, ADHS und die Wahrnehmung psychischer Phänomene

Ein zentrales Thema dieser Episode ist die Frage, wie wir Autismus, ADHS und ähnliche Phänomene wahrnehmen und ob die gängigen Begriffe wie „Störung“ oder „Krankheit“ überhaupt immer angemessen sind. Tebartz-van Elst erklärt, dass er am Anfang seiner Karriere eine klare Grenze zwischen „normalpsychologischen“ Phänomenen und tatsächlichen Störungen gezogen hatte. Im Laufe seiner Arbeit änderte sich jedoch diese Sichtweise, und heute sieht er Autismus oft als „Normvariante“ an, die nicht immer als Krankheit bezeichnet werden muss. Trotzdem gibt es Fälle, in denen eine medizinische Bezeichnung wie „Krankheit“ durchaus sinnvoll sein kann, besonders wenn Betroffene schwerwiegende Einschränkungen im Alltag erleben.

Philosophie als essenzieller Bestandteil der Psychiatrie

Tebartz-van Elst, der auch eine starke Affinität zur Philosophie hat, betont die Rolle der Psychiatrie als „Königin der Medizin“. Für ihn ist die Verbindung zur Philosophie essenziell, da die Psychiatrie sich mit den höchsten Funktionen des menschlichen Geistes – Denken, Wahrnehmen, Urteilen – befasst. Er sieht die Philosophie als Begleiterin der Psychiatrie, die dazu beiträgt, die zentralen Fragen über die menschliche Natur zu verstehen und so eine bessere Grundlage für das Verständnis psychischer Zustände zu schaffen.

Die Strukturdiagnose: Eine neue Perspektive auf Autismus

Anstatt Autismus und andere neuropsychiatrische Phänomene ausschließlich als Störungen zu betrachten, schlägt Tebartz-van Elst den Begriff „Strukturdiagnose“ vor. Diese Sichtweise erlaubt es, psychische Besonderheiten zu beschreiben, ohne sie automatisch als pathologisch zu bezeichnen. Viele Menschen mit Autismus zeigen von klein auf bestimmte Denk- und Verhaltensmuster, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten, ohne dass diese zwangsläufig negative Auswirkungen haben müssen. Tebartz-van Elst erläutert, dass viele Betroffene mit Autismus ein erfolgreiches und erfülltes Leben führen.

Autismus in der Gesellschaft: Missverständnisse und Herausforderungen

Ein weiterer Fokus des Gesprächs liegt auf den sozialen Aspekten von Autismus. Tebartz-van Elst beschreibt, wie es zu Missverständnissen zwischen autistischen Menschen und neurotypischen Kollegen kommen kann, insbesondere in hierarchischen Strukturen. Solche Konflikte entstehen oft, weil autistische Menschen sehr direkt kommunizieren, was von neurotypischen Menschen manchmal als unhöflich oder respektlos empfunden wird.

Das Verhältnis zwischen Individualität und Gemeinschaft

Zum Ende der Episode wird die Frage erörtert, wie Autismus als Teil des menschlichen Spektrums gesehen werden kann. Tebartz-van Elst teilt seine Überzeugung, dass Verhaltensweisen, die oft als „autistisch“ bezeichnet werden, unter bestimmten Bedingungen bei jedem Menschen auftreten können. Dies verdeutlicht für ihn, dass Autismus weniger eine Abweichung ist, sondern vielmehr ein Teil des menschlichen Spektrums darstellt.

Ein besonderes Erlebnis: Positive Veränderungen durch Anpassung der Medikation

Zum Abschluss berichtet Tebartz-van Elst von einem positiven Erlebnis, das er mit einer Patientin hatte, die nach einer Anpassung ihrer Medikation deutliche Fortschritte zeigte. Dies unterstreicht die Bedeutung einer individuellen, patientenorientierten Behandlung. Auch der Co-Moderator teilt ein persönliches Erlebnis, das seine Wertschätzung für die Vielfalt menschlicher Lebenswege verdeutlicht.

Empfehlenswerte Folge!

1 Like