Die wahren Ausmaße der Rabattverträge: Ein Blick hinter die Kulissen
Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen spielen eine zentrale Rolle im deutschen Gesundheitssystem. Diese Verträge helfen dabei, die Kosten für Medikamente drastisch zu senken, doch die genauen Bedingungen und Rabatte bleiben meistens ein gut gehütetes Geheimnis. Im Oktober 2021 jedoch wurde dieses Schweigen unfreiwillig gebrochen, als die AOK Baden-Württemberg versehentlich vertrauliche Informationen preisgab.
Was ist passiert?
Im Oktober 2021 unterlief der AOK Baden-Württemberg ein folgenschwerer Fehler: Bei der Ausschreibung für Rabattverträge wurden die streng vertraulichen Angebote des indischen Pharmaunternehmens Glenmark versehentlich an konkurrierende Hersteller weitergeleitet. Diese Daten gelangten anschließend an ein pharmazeutisches Nachrichtenportal, dessen Name jedoch nicht bekannt ist. Die Veröffentlichung dieser Informationen bot einen seltenen und aufschlussreichen Blick in die tatsächlich gewährten Rabatte.
Die Höhe der Rabatte
Die enthüllten Daten zeigen, dass Glenmark Rabatte von über 80 Prozent für viele Wirkstoffe, darunter Opioide und Sartane, angeboten hat. Bei bestimmten Präparaten, wie dem Betäubungsmittel Buprenorphin, ging das Angebot sogar über 99 Prozent. Das bedeutet, dass die AOK für einige Medikamente nahezu nichts zahlen muss – lediglich einen symbolischen Betrag.
Warum bieten Hersteller solche Rabatte?
Auf den ersten Blick scheint es unverständlich, warum ein Pharmaunternehmen bereit ist, seine Produkte quasi zu verschenken. Die Erklärung liegt in der Warenwirtschaft der Apotheken: Pharmaunternehmen setzen darauf, dass Apotheken die rabattierten Medikamente in großen Mengen vorrätig halten und bevorzugt abgeben, auch bei privaten Verschreibungen oder Lieferengpässen. So können die Hersteller trotz der extremen Rabatte durch das hohe Verkaufsvolumen oder durch den Verkauf an Privatkunden letztendlich doch noch Gewinn erzielen.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen
Für die Krankenkassen sind solche Rabattverträge enorm profitabel. Allein im Jahr 2020 konnten durch diese Verträge rund fünf Milliarden Euro eingespart werden, davon zwei Milliarden Euro durch die AOK. Diese Einsparungen tragen wesentlich zur Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge bei und entlasten das Gesundheitssystem erheblich.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist das Medikament Buprenorphin von Glenmark. Normalerweise liegt der Abgabepreis dieses Medikaments beim Großhandel bei 245,93 Euro. Glenmark bot der AOK jedoch einen Rabatt von 99 Prozent, sodass die AOK nur noch etwa 2,46 Euro für das Medikament zahlen musste. Der Großteil der Einsparungen fließt direkt in die Reduzierung der Kosten für die Krankenkasse.
Fazit
Die versehentliche Offenlegung im Oktober 2021 gibt einen seltenen Einblick in die Ausmaße der Rabattverträge, die im Gesundheitssystem verhandelt werden. Sie zeigt, wie massiv die Rabatte sein können und wie sie die Kosten für Krankenkassen reduzieren, während Apotheken und Patienten oft im Dunkeln über die tatsächlichen Preise tappen. Diese neuen Informationen sind nicht nur aufschlussreich, sondern werfen auch Fragen über die Transparenz und die langfristigen Auswirkungen solcher Rabatte auf den Arzneimittelmarkt auf.
Quellenangabe
Dieser Artikel basiert auf Informationen aus: PTA in der Apotheke, Ausgabe Dezember 2021